Schwere Zeiten für deutsche Textil- und Modeindustrie


Superinflation, Energiepreisexplosion, gestörte Lieferketten: Die wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine haben die deutsche Textil- und Modeindustrie jäh ausgebremst bei dem Versuch, die dramatischen Verluste der Corona-Jahre wieder aufzuholen. Dies geht aus den neuesten Daten im Konjunkturbericht des Gesamtverbandes textil+mode hervor.

So befindet sich auch die deutsche Bekleidungsindustrie trotz erheblicher Aufhol-Anstrengungen noch nicht einmal wieder auf dem Vorcorona-Niveau. Die Hersteller von Spezialtextilien, sogenannter technischer Textilien, haben bei den Umsätzen zwar das Vorkrisenniveau von 2019 wieder erreicht. Allerdings fressen die explodierenden Energiepreise und die inflationsbedingten Mehrkosten die Einnahmen auf – mit stark negativen Folgen für die Ertragslage und die Beschäftigung in den Unternehmen. Die Beschäftigung liegt mit weit über minus 10 Prozent unter dem Vorkrisenniveau. Entsprechend pessimistisch bewerten die Unternehmerinnen und Unternehmer die Geschäftserwartungen.

 

06.12.2022

 

Dr. Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie: „Die Preisbremsen für Strom und Gas müssen jetzt zügig in Kraft treten, sonst kommt jede Hilfe für die in Deutschland produzierenden Unternehmen zu spät. Allerdings müssen die Hilfen dringend nachgebessert und für die Unternehmen deutlich vereinfacht werden. Es kann und darf nicht sein, dass immer mehr mittelständische und familiengeführte Traditionshersteller keinen anderen Ausweg sehen, als ihre Produktion am Standort Deutschland dicht zu machen oder ins Ausland zu gehen.“

Wer einmal weg ist, kommt nicht wieder. Deutschland verlassen hochspezialisierte Textilunternehmen. Die deutsche Weltmarktführerschaft bei technischen Textilien ist in Gefahr mit verheerenden Folgen für die Lieferketten und das textile Wissen, das für zahlreiche Zukunftstechnologien in den Bereichen Umwelttechnik, regenerative Energien oder Kreislaufwirtschaft wichtig ist. Kein Windrad dreht sich ohne Textil, Luft- und Abwasserreinigung funktionieren nur mit moderner textiler Filtertechnik, ohne Spinnereien findet kein Recycling gebrauchter Garne oder die Herstellung neuer biobasierter Stoffe statt.

Besonders bei den Herstellern von Spezialtextilien trübt sich die Stimmung mit Blick auf die Energiepreise ein. Die Teuerungen lassen sich nicht am Markt erwirtschaften. 40 Prozent der Umsätze macht die Branche im Export und muss sich deshalb mit ihren internationalen Wettbewerbern messen. Auch bei den Bekleidungs- und Modeunternehmen drücken die hohe Inflation und die weltweiten Konsumerwartungen auf die Stimmung. Die Modebranche steuert auf einen globalen Abschwung zu. Dies prognostizieren die Unternehmensberatung McKinsey & Company und der Branchen-Informationsdienst „Business of Fashion“ in ihrer diese Woche veröffentlichten Studie „The State of Fashion 2023“.

Umso folgenschwerer wiegt, was die Bundesregierung Unternehmen ab nächstem Jahr mit den völlig überbordenden und realitätsfernen Ausführungsbestimmungen beim Lieferkettengesetz aufgebürdet hat und was die EU plant. Hauptgeschäftsführer Uwe Mazura: „Damit wird ausgerechnet den mittelständischen Mode- und Bekleidungsmarken eine Regulierungsflut beschert, die nach bestem Wissen und Gewissen ihre Geschäfte führen. Weder hier noch bei der EU hat man die Regulierungen von der Wirkung hergedacht. Den Menschen in den Produktionsländern ist nicht automatisch geholfen, weil Unternehmen in Deutschland hunderte Seiten von Nachhaltigkeitsberichten anfertigen“.

Der Gesamtverband textil+mode wird sich weiter aktiv und konstruktiv in die Diskussion einbringen. Gesetze dürfen nicht dazu führen, dass ausgerechnet die vom Markt verdrängt werden, die in Europa und weltweit die Maßstäbe für faire Umwelt- und Sozialstandards setzen.